Wie aktuelle KLIMAVERÄNDERUNGEN den Weinbau verändern

Wie aktuelle KLIMAVERÄNDERUNGEN den Weinbau verändern

21. Oktober 2025Sebastian Spiegel

Folgender Blog ist eine aufgearbeitete Mitschrift des Vortrags von Prof. Dr. Hannes Schultz (Hochschule Geisenheim):

„Klimaveränderungen im Weinbau und was wir dagegen tun können“

Im Rahmen der jährlichen Graduierungsfeier der Weinakademie Österreich fanden auch heuer wieder Masterclasses mit führenden Expert:innen der Weinbranche statt. Einer der Höhepunkte war der Vortrag des bald pensionierten Prof. Dr. Hannes Schultz von der Hochschule Geisenheim, der sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau und mit Anpassungsstrategien für die Zukunft beschäftigte.


Der Boden als Schlüssel zur Nachhaltigkeit

„Soil is the key to sustainability“ – war eine der Kernaussagen von Schultz in seinem Vortrag. Der Boden sei das Fundament des nachhaltigen Weinbaus: Er speichere Wasser, Nährstoffe und Kohlenstoff und bilde damit die Grundlage für vitale Reben und stabile Ökosysteme. Besonders der organische Kohlenstoff im Boden (Soil Organic Carbon, SOC) spiele eine entscheidende Rolle, da er für die Verdunstung und Wasserspeicherung verantwortlich ist.


Globale Klimaveränderungen und C0₂-Dynamik

Laut Schultz ist die C0₂-Konzentration in der nördlichen Hemisphäre – also genau dort, wo der Weinbau zwischen dem 30. und 50. Breitengrad stattfindet – besonders hoch. Das belege der „Global Fossil CO₂ Emissions Report“ von Friedlingstein.
C0₂ sei deshalb so bedeutend, weil es eine lange Verweildauer von 20 bis 50 Jahren in der Atmosphäre habe. Er verwies auf Studien aus Geisenheim, die zeigen, dass erhöhte C0₂-Werte (eC0₂) nicht nur das Wachstumsverhalten der Reben, sondern auch die Größe von Insektenpopulationen beeinflussen.


Temperaturanstieg und klimatische Verschiebungen

„Warming has occurred in all regions“ – die Erwärmung betrifft alle Weinbaugebiete weltweit. Seit 1980 beobachtet man eine sogenannte „global lightening period“, also eine Zunahme der Sonneneinstrahlung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Temperaturen kurzzeitig rückläufig, was auf eine „verschmutzte Atmosphäre“ durch Aerosole zurückzuführen war. Heute ist die Luft sauberer – und damit steigt auch die Temperatur schneller an.

Die Folgen für den Weinbau sind gravierend:

  • Höhere Temperaturen führen zu höherem pH-Wert in den Weinen und erhöhen das Risiko von mikrobieller Verderbnis.

  • Es kommt zu einer Reduktion von Anthocyanen, also der Farbstoffe in Rotweinen.

  • Rebsortenverschiebungen werden unausweichlich: Einige traditionelle Sorten geraten an ihre Grenzen, während neue oder wärmeliebendere Varietäten Chancen eröffnen.

  • Auch neue Weinregionen profitieren: Nördlichere Zonen gewinnen zunehmend an Relevanz.


Extreme Wetterereignisse als größte Herausforderung

Besonders besorgniserregend sei laut Schultz der Anstieg des Meeresspiegels und die Erwärmung der Meeresoberfläche um 1°C, was die Verdunstung um rund 7 % erhöht. Das entspricht etwa 35.000 km³ zusätzlichem Wasser in der Atmosphäre.
„What goes up, must come down“, warnte Schultz – was in Form von heftigen und unberechenbaren Niederschlägenwieder auf die Erde zurückfällt. Überschwemmungen, Erosion und Starkregen nehmen dadurch deutlich zu.


Anpassungsstrategien im Weinbau

Als wichtigste Maßnahmen nannte Schultz:

  • Boden- und Begrünungsmanagement: Durch gezielte Begrünung und vielfältige Pflanzmischungen lässt sich der Boden stabilisieren und die Wasserspeicherung verbessern.

  • Rückkehr zu traditionellen Erziehungssystemen: Systeme wie Gobelet (Buschrebe) bieten durch ihre natürliche Schattierung Schutz vor Hitzestress. Sie sind arbeitsintensiver, aber klimaresilienter als mechanisierte Systeme.

  • Rebschnitt und Laubwandmanagement: Durch gezielte Schnittmaßnahmen kann der Reifeprozess der Trauben verlangsamt werden, um das Gleichgewicht zwischen Zucker und Säure zu bewahren.


Fazit

Prof. Schultz schloss mit einem optimistischen Appell:

„We are not a coral reef – we can adapt.“

Weitere Beiträge